Gedanken

Heute in 4 Wochen bin ich schon wieder zu Hause. Der Gedanke ist seltsam. Ich denke in letzter Zeit oft an die Kathi, die hier angekommen ist. Die Kathi, die bei der ersten Fahrt nach Alédjo am liebsten gar nicht aus dem Bus aussteigen wollte, weil sie nicht wusste, was sie erwartete und das machte ihr Angst. Die Kathi, die ständig „Pardon? Pardon?“, sagen musste, weil sechs Jahre Schulfranzösisch zwar nicht wenig sind, aber doch nicht dazu befähigen, die Sprache auf Anhieb flieβend zu verstehen. Die Kathi, die sich abends nicht in Ruhe einen Film anschauen konnte, weil sie das Gefühl hatte, sie würde drauβen etwas verpassen. Sie müsste mit Freunden, die sie in den ersten Tagen noch nicht gefunden hatte, jede Minute auf den Straβen des Dorfes verbringen, um zu wissen, was sich dort abspielt. Diese Kathi hat sich relativ schnell in die verwandelt, die sich mühelos über den Markt bewegt, weiβ, wo sie was findet und nicht mehr das Gefühl hat, ständig beobachtet und angestarrt zu werden. Die Kathi, die das Rufen des Muezzins kaum noch hört, die die Menschen auf der Straβe auf Kotokoli begrüβt, die um Preise feilscht und die sogar am Telefon nur noch „Pardon?“, sagen muss, wenn das Netz schlecht ist. Die Kathi, die weiβ, wo in Alédjo es den besten Reis gibt, die leckersten Teigtaschen, wo man das weichste Klopapier findet und wo man an Weizenmehl kommt. Die Kathi, die angekommen ist in Alédjo, viele Bekannte und einige Freunde hat und, die sich auch einen Abend auf dem Sofa ausstrecken kann, weil sie nicht mehr das Gefühl hat, etwas hinterherlaufen zu müssen. Alédjo ist von einem Dorf im Nordwesten Benins zu „meinem“ Alédjo geworden. Und trotzdem freue ich mich im Moment sehr auf Deutschland. Ich freue mich auf das Essen, aufs „am-See-liegen“, aufs S-Bahn fahren, ich freue mich auf meine Freunde und Freundinnen, auf meine Eltern, auf meine Katze. Ich möchte wieder nach Alédjo kommen und bin mir ziemlich sicher, dass ich das auch tun werde. Aber im Moment fühle ich mich bereit, mich von hier zu verabschieden und ich denke, das ist gut so. Ich habe das Gefühl, mein Jahr hier verläuft wie eine Art Prozess, der es mir immer möglichst leicht macht. Es fiel mir leicht, mich einzugewöhnen, ich habe meine Zeit hier sehr genossen und ich würde mich jederzeit wieder für diesen weltwärts-Platz entscheiden. Und jetzt wird mir auch der Abschied leichter gemacht, weil ich mich so sehr auf Deutschland freue.

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Kommentare: 1
  • #1

    Gitti (Sonntag, 07 Juli 2013 12:47)

    Ich freu mich schon ganz arg auf Dich und bin neugierig auf die Kathi, die da kommt. Überleg Dir doch schon langsam, womit Du bekocht werden willst... :-) Genieß die letzten Tage mit der Vorfreude auf hier im Bauch - Schön dass Dir der Abschied leicht fällt und da kommt ja auch viel Neues und spannende Zeiten auf Dich zu. Drück Dich ganz doll. Alina ist gerade in Hamburg und schaut sich heute Abend die erste WG in Bremen an und wer weiß wo Du landen wirst...